Prof. Niggli wirkt tiefenentspannt. Im schlichten Wiener Altbau-Gesprächszimmer des hiesigen FiBL-Standortes (Forschungsinstitut für biologischen Landbau), welches er 30 Jahre lange geleitet und maßgeblich geprägt hat, sitzt uns ein freundlich lächelnder, mittel-junger Herr gegenüber. Ohne die übliche Länge unserer Podcast-Folgen zu kennen, warnt er uns, wir sollten ihn bremsen, wenn er zu sehr ins Erzählen gerät. Wir schmunzeln. Letztes Jahr gab er die Geschäftsführung des FiBL ab und hat sich seither in eine Art Unruhestand begeben. So wurde er z.B. mit der Ausrichtung des UN-Welternährungsgipfels im Herbst 2021 beauftragt, berät weiterhin als Obmann das FiBL und gibt serienweise Interviews. Glück gehabt … Und er hat ein Buch geschrieben! Keine Fachpublikation von Wissenschaftlerinnen für Wissenschaftler, sondern vielmehr eine 150-seitige Zusammenschau der Erkenntnisse eines bewegten und erfolgreichen Forscherlebens. Er blickt jedoch weder im Buch noch in unserem Gespräch zurück, sondern vielmehr nach vorne. Stellt er sich doch die Frage, wie wir in den kommenden Jahrzehnten eine Welt mit bald 10 Milliarden Menschen ernähren werden können. Was wir von Urs Niggli nicht erhalten, ist die „Weltformel“. Die eine Lösung, die für uns alle und überall funktioniert. Gerne wird sein Ansatz auf „Bio kann die ganze Welt ernähren“ reduziert, gilt er doch als einer der bekanntesten Forscher zum biologischen Landbau, quasi ein "Bionier". Was dabei aber oft vergessen wird, ist Urs Niggli, der große Pragmatiker. Wenn wir einen Versuch unternehmen müssten, seinen Zugang zusammenzufassen, klänge dies in etwa so: „Schau, was bei dir und für dich funktioniert. Hast du es gefunden, dann nutze es klug und verantwortungsvoll.“ Ein logischer Pragmatismus zeichnet ihn also aus und hat ihm schon den einen oder anderen Shitstorm eingebracht. Bedient er sich doch in manch ideologisch gespaltener Diskussion der Instrumente sowohl aus dem weißen wie auch aus dem schwarzen Körbchen. In Nigglis Körbchen landet dann nebst Bio schon mal die Genom-Editierung und neben traditionellen Methoden des Bio-Landbaus auch Satelliten, die Cloud und Big Data. Im Gespräch hatten wir 2 Stunden Zeit über vieles zu sprechen, um eine Idee davon zu bekommen, warum Urs Niggli so denkt, wie er denkt und vor allem auch, wie er dazu kam. Letztlich verlief das Gespräch mit Urs Niggli wie ein Dialog mit Zuckerbrot und Peitsche. Wir haben zwei Stunden lang versucht, ihn in eine Schublade zu bekommen, mussten zum Schluss aber das Kasterl wegschmeißen.
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