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Tokio Hotel als Ausschaltimpuls - So geht Top-40-Radio
Top-40-Radio, Formatradio, AC-Radio oder Dudelfunk - all diese Begriffe bezeichnen ein Radioprogramm, das auf Durchhörbarkeit angelegt ist. Es erreicht Massen - und generiert Hits. Wer polarisiert, wird nicht gespielt. Manchen Bands kann das egal sein. Tokio Hotel zum Beispiel.
Weißes Rauschen hat in etwa den Klang eines Radios, das keinen Sender findet. Nur sanfter. Es reduziert die Geräusche in der Umgebung und kann bei Konzentrationsschwierigkeiten Abhilfe schaffen. Weißes Rauschen bleibt im Hintergrund, ist unaufdringlich.
Ähnliches gilt für die sogenannten "Top-40-Radios". Das sind Sender, die ihre Hörer durch den Tag begleiten wollen, ohne sie von ihrem eigentlichen Tun abzulenken. "Adult Contemporary", kurz AC, heißt ein solches Programm auch - gespielt wird zeitgemäße Musik für Erwachsene zwischen 25 und 49 Jahren. Diese Zielgruppe besitzt für die Werbewirtschaft besonders hohe Attraktivität. Top-40-Radios setzen deshalb auf Durchhörbarkeit. Ausschaltimpulse gilt es zu vermeiden.
Top-40-Radios erreichen mehr Hörer als Spartenprogramme
Ausschaltimpulse können etwa Songs sein, die spezifischen Stilrichtungen wie Progressive Jazz oder Gangsta-Rap entstammen. Oder Wortanteile, die die kritische Marke von neunzig Sekunden überschreiten. Kurzum: Alles, was die gleichmäßige Geräuschkulisse in irgendeiner Form unterbrechen und somit den Hörer zum Leiser-, Um- oder eben Ausschalten animieren könnte, stellt für Top-40-Radios eine Gefahr dar. Die Konsequenz: Der Hörer bekommt ausschließlich die "Hits der 80er, 90er und das Beste von heute" präsentiert. "Vielfalt ist das, was der Hörer mag. Nicht das, was er nicht kennt", gibt Marzel Becker, Programmchef von Radio Hamburg, gegenüber der Welt offen zu.
Wer so einen Einheitsbrei hören will, könnte man sich jetzt fragen. Nun ja, mit Top-40-Radios verhält es sich wie mit TV-Castingshows oder Reality-Formaten: findet angeblich jeder doof und bricht doch alle Einschaltquotenrekorde. "Studien belegen, dass ein Spartenprogramm, das beispielsweise hauptsächlich aus Jazz, Heavy Metal oder volkstümlicher Musik besteht, nicht dieselbe Masse Menschen erreichen wird wie ein AC-Programm, bestehend aus Hits der letzten Jahrzehnte und aktueller Musik", sagt dazu Matthias Weber, Musikchef bei Hit Radio FFH.