Eine Kindheit und Jugend auf unsicherem Gelände: die Ich-Erzählerin in Deniz Ohdes Debüt «Streulicht» wächst mit den Emissionen eines Chemiekonzerns bei Frankfurt a.M. auf und wird von Kindern wie Erwachsenen ausgegrenzt, weil sie eine türkische Mutter hat. Deniz Ohde ist Gast in «52 Beste Bücher».
«Streulicht» spielt in den 1990er und 2000er Jahren und wirkt doch archaisch, eingehüllt in einen zeitlosen Schicksalsnebel. Mitten in Deutschland geht es um Verhältnisse, wie sie es selten in Romane schaffen: Armut, Einschränkung, Missachtung, grundiert von offenem und verstecktem Rassismus.
Deniz Ohde erzählt von einem Leben, das trotz aller Bemühungen lange nicht gelingen will. Es ist eingesponnen in Sprachlosigkeit und eine Unwissenheit, «die weit hineinreichte in meine Vergangenheit, weit über den Zeitpunkt meiner Geburt hinaus». Das Prekäre hat tiefe Wurzeln, gerade auch im Privaten. Der Vater kompensiert verpasstes Leben so hartnäckig wie unzulänglich. Die Mutter schweigt selbst zu den gröbsten Zeichen von Rassismus. Dazwischen ein Kind, das selten weiss, wie ihm geschieht und doch seismographisch genau wahrnimmt. Ein packender Coming-of-Age-Roman.
Mit Deniz Ohde spricht Franziska Hirsbrunner.
Buchhinweis:
Deniz Ohde. Streulicht. Suhrkamp, 2020.