Hörspiel
Der Stein in der Tasche von Alexander Kluge
Kluge verbindet makrokosmische Dimensionen mit mikrokosmischen in einer Gedankenreise. Er beleuchtet die Entwicklung der Menschheit, von der Eiszeit bis zur Gegenwart. Sein Blick reicht von der Unermesslichkeit des Universums bis zur Brüchigkeit menschlicher Grundwerte.
Alexander Kluge geht mit uns auf eine ausgedehnte Reise der Gedanken, die den Makrokosmos mit dem Mikrokosmos verbindet. Er zoomt von der grenzenlosen Weite des physikalischen Universums zur Fragilität der erklärten Allgemeingültigkeit menschlicher Grundwerte in der Aufklärung. Er skizziert die Evolution der Menschheit vom Amphibien zum Homo sapiens. Er präsentiert diesen in seiner nomadischen Frühzeit, wandernd in kleinen Gruppen durch die eisige Steppe, immer gestresst, bedroht und auf der Suche nach Nahrung. Und er stellt ihn dem modernen sesshaften Menschen gegenüber, der "aggressiv bis ins Mark" ist. Er wagt den Übergang von der Anthropologie zu seiner eigenen Biografie und zum Kindheitstrauma des Bombardements seiner Heimatstadt in den letzten Kriegsmonaten 1945.
Es kommen Forscherinnen und Forscher zu Wort, die mit präzisen Daten und genauen Hypothesen sicherstellen, dass ihre Reflexionen auf Fakten basieren und somit konkret bleiben. Dennoch führen die Erkundungen der Astrophysik und Paläontologie immer wieder zurück in die abendländische Geschichte und Perspektive. In anderen kulturellen Kontexten würden die historischen Assoziationsketten zumindest anders aussehen und anders wirken.
Was ist der aktuelle Anlass für all das? Die geistige Situation der Zeit, die sich auf Mythen nationaler Größe, religiöser Wahrheiten und ideologischer Ausschließlichkeit stützt, die uns wieder in Kriege stürzen und viele Menschenleben kosten. Und die dringende Sache: Kriege zu beenden und zu verhindern. Kluge "weiß genau, dass hier nicht die zynische Realpolitik die Antwort ist, aber unzynische Realpolitik." Allerdings wirft er die Frage auf, wo die Grenze zwischen einer unzynischen, einer friedensfördernden Politik und einem selbstzerstörerischen Pazifismus liegt, wo die Linie zwischen Paranoia und realer Bedrohung verläuft. (...) In einem seiner Statements bekennt sich der Autor zu Horkheimers und Adornos Dialektik der Aufklärung, die uns vermittelt, dass die Mythen nicht so urtümlich sind, wie sie vorgeben, und die Aufklärung nicht so frei von Mythen ist, wie sie glaubt. Beide bilden bis heute ein Labyrinth, das wir durchqueren müssen, um zu einer eigenen Klarheit zu gelangen. Mit Kluges einzelnen Feststellungen müssen wir nicht immer übereinstimmen. Doch sein Hörspiel ist ein Sprungbrett und eine Verlockung, sich einen Moment lang aus dem Strom des politischen Alltags herauszuheben und einen umfassenderen Überblick zu gewinnen.
Zum Autor
Der 1932 in Halberstadt geborene Alexander Kluge arbeitet als Filmemacher, Schriftsteller, Drehbuchautor, Fernsehproduzent, bildender Künstler, Philosoph und promovierter Juris. Er wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, u. a. mit dem Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig (1968), Georg-Büchner-Preis (2003) und Theodor-W.-Adorno-Preis (2009).
"Der Stein in der Tasche von Alexander Kluge" im Überblick
Der Stein in der Tasche von Alexander Kluge
von Alexander Kluge
Mit Alexander Kluge, Karl Bruckmaier, Katja Bürkle, Helga Fellerer, Johannes Herrschmann, Stefan Merki, Meinhard Prill sowie Oskar Negt, Hannelore Hoger
Produktion: 2024
Sendezeit | Mi, 01.01.2025 | 18:30 - 20:00 Uhr |
Sendung | Deutschlandfunk Kultur "Hörspiel" |