Schießbuden haben noch immer einen Reiz für mich

1951: Die Künstlerin Ré Soupault fährt mit dem Fahrrad durch ein vom Krieg verwüstetes Deutschland. Wie das Land befindet sich auch Ré im Wandel. Andra Joeckle gestaltet das Reisetagebuch der deutsch-französischen Künstlerin, und wir begleiten sie auf ihrer Tour.

Ré Soupault war in jeder künstlerischen Disziplin erfolgreich: ob beim Übersetzen, Fotografieren, Entwerfen eines Wandelkleides, Kultivieren des Geistes oder Reparieren ihres Vélosolex, eines Fahrrads mit Hilfsmotor.

Im September und Oktober 1951 unternahm sie von Basel aus eine Reise durch Süddeutschland: Mit ihrem eleganten Fahrrad, das eine Leistung von 0,4 PS hatte, legte sie mehrere hundert Kilometer zurück. Ihre Beobachtungen sind erfrischend, ihre Gedanken klar und gesund. Ré mied geistige Trägheit. Sie lebte ein einfaches Leben, sowohl geistig als auch körperlich. Rein, dynamisch und keineswegs gewöhnlich: Man konnte nicht genug von ihr bekommen.

Die Bauhaus-Schülerin  Ré Soupault (1901−1996), ursprünglich Meta Erna Niemeyer aus Pommern, war Fotografin, Filmemacherin und Modedesignerin. Sie war mit dem Surrealisten Philippe Soupault verheiratet und begleitete ihn auf Reportagereisen. Sie arbeitete in Paris und Berlin, später auch in Tunis und Amerika. Seit 1948 war sie wieder in Europa tätig, wo sie als Übersetzerin und Rundfunkautorin arbeitete. 2022 veröffentlichte sie ihr Tagebuch "Überall Verwüstung. Abends Kino" gibt Einblick in ihre Reise durch Süddeutschland 1951. 

Zum Autor

Andra Joeckle, geboren 1967 in Freiburg, studierte Deutsche Philologie in München und Paris. Sie lebt als Schriftstellerin und Übersetzerin in Berlin. Ihr Feature "Krakau mit Händen und Füßen" (DKultur 2009) erhielt den deutsch-polnischen Journalistenpreis. 2009 war sie Stadtschreiberin in Hermannstadt, Siebenbürgen. Deutschlandfunk Kultur produzierte zuletzt ihr Originalhörspiel "Die Zecke" (2017) sowie das Feature "Irre Gärten" (2022).