
Kultur & Gesellschaft
Sex, Dschinn, Religion - 1001 Nacht gegen 114 Suren?
Orgien, gleichgeschlechtliche Liebe, Liebestränke und ein Gott, der mit einem Lächeln alles gutheißt: Die Erzählungen aus "1001 Nacht" transportieren den energischen Hauch von Freiheit. Doch können sie einen alternativen Entwurf zur herrschenden islamischen Lehre bieten?
Schon seit ihrer Kindheit hat die Autorin und Übersetzerin Dalila Zouaoui-Becker diese Geschichten aus "Tausendundeiner Nacht" begleitet, und auch heute noch staunt sie über die freizügige Welt der Erzählerin Scheherazade. Diese Erzählungen waren stets zu offen für religiöse Hardliner, die nicht aufhörten, das als "teuflisch" bezeichnete Werk zu bekämpfen.
1985 fand auf Befehl der Muslimbrüder in Kairo eine öffentliche Verbrennung statt. Gerade in der heutigen Zeit, in der islamistischer Extremismus die Diskussion über Religion erneut entfacht hat, ist die Botschaft von Scheherazade aktueller denn je. Ihre enorme Explosivität wird zunehmend offenkundig, ebenso wie ihre tiefe Klugheit. Es ist lohnenswert zuzuhören, wenn die berühmte Geschichtenerzählerin hilft, einige Fragen zu klären: Kann die weltoffene und lebensfreudige Botschaft von "Tausendundeiner Nacht" tatsächlich als Widerspruch zum Koran betrachtet werden? Wie kann der scheinbare Gegensatz zwischen dem Lebensmotto "Leben und leben lassen" und der Ehrfurcht vor Gott aufgelöst werden? Wie viel von "islamisch" steckt überhaupt in den arabischen Geschichten? Ist es möglich, Gott gegen diejenigen in Stellung zu bringen, die in seinem Namen kämpfen, also die Religion selbst als Mittel gegen fanatischen Glauben und dessen Auswüchse zu nutzen? Kann das die Literatur leisten oder bleibt diese Aufgabe einem zentralen religiösen Text vorbehalten?
Diese Fragen betreffen auch die westliche Welt. Im Abendland haben geschönte und gekürzte Fassungen der Geschichten dazu geführt, dass diesen ihre aufrührerische Kraft genommen wurde und sie fälschlicherweise als bloße Märchensammlung angesehen wurden. Damit halten die Geschichten aus "Tausendundeiner Nacht" sowohl dem Orient als auch dem Okzident einen Spiegel vor und verdeutlichen, wie Gesellschaften ihre eigene Vergangenheit und fremde Kulturen durch zentrale Schriften verstehen.
Dalila Zouaoui-Becker arbeitet als freie Autorin und Übersetzerin. Sie wohnt in Köln und schreibt über Themen wie Sprachen, Literatur und Religion(en). Zu ihren Arbeiten gehört "Homère l'Oriental", das 2017 im französischen Onlinemagazin "Orient XXI" veröffentlicht wurde, ebenso wie Vorträge über Sprache, Literatur und Religion am romanischen Seminar der Universität Köln.
Sex, Dschinn, Religion - 1001 Nacht gegen 114 Suren? im Überblick
Sendezeit | So, 02.03.2025 | 09:30 - 10:00 Uhr |
Sendung | Deutschlandfunk "Essay und Diskurs" |