Nebenbei statt mittendrin
Tokio Hotel als Ausschaltimpuls - So geht Top-40-Radio
2. Seite: Die Rotation von Top-40-Radios umfasst 150 bis 300 Songs
Etwa 58 Millionen Personen in Deutschland ab zehn Jahren hören täglich im Schnitt 200 Minuten Radio, wie aus der Studie "ma 2012 Radio I" der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e. V. hervorgeht. Einen Großteil davon greifen Top-40-Radios ab, denen somit eine ungeheure Macht zukommt: Songs, die es bei ihnen in die Rotation schaffen, werden nicht selten zu Hits - mit entsprechenden Verkaufszahlen im CD- und Digitalvertrieb.
Doch die begehrten Rotationsplätze sind rar gesät, nur etwa 150 bis 300 Titel laufen bei einem klassischen Top-40-Radio über den Tag hinweg in Dauerschleife. Welche das sind, bestimmen Hörerbefragungen, die regelmäßig von den Sendern initiiert werden. Musikstücke, die hierbei nicht bestehen, haben kaum Chancen auf Airplay.
Tokio Hotel sind für Top-40-Radios ein Ausschaltimpuls
Nicht bestanden haben auch Tokio Hotel, die 2005 mit der Single "Durch den Monsun" ihren großen Durchbruch feierten, obwohl sie von der deutschen Radiolandschaft weitestgehend ignoriert wurden. Helge Haas, der Programmleiter von Bremen Vier, begründet die Entscheidung gegen eine Rotation von Musik der Band aus Magdeburg wie folgt: "Wir haben Tokio Hotel per Handeinsatz gespielt. Gleichzeitig immer wieder mal in der Morgenshow, zwischen 14 und 16 Uhr und natürlich in unserer Kindersendung. Das Thema hat also regelmäßig bei Bremen Vier stattgefunden. Neue Singles von Tokio Hotel haben wir regelmäßig auf ihre Eignung für eine Rotation hin getestet. Dabei haben wir festgestellt, dass deren Musik wahnsinnig polarisiert und fast alle Hörer über zwanzig Jahren eher genervt hat."
Peter Hoffmann, Entdecker und Produzent von Tokio Hotel, habe zunächst nicht damit gerechnet, dass Tokio Hotel im deutschsprachigen Radio so gut wie nicht stattfinden. "Das ist mir dann erst klar geworden, als ich das erste Mal erlebt habe, mit was für einer Hysterie und gleichermaßen mit was für einem Hass auf Tokio Hotel reagiert wurde. Die Hysterie kam von den Mädchen, der Hass von den Jungs", sagt Hoffmann.
Für ihn stelle die ablehnende Haltung der männlichen Bevölkerungsgruppe den Hauptgrund für die Ignoranz der Top-40-Radios dar. "Radio ist ja quotenabhängig - und wenn ein Titel gespielt wird und fünfzig Prozent der Hörer schalten ab, nämlich die Jungs, dann bricht die Quote weg. Das kann sich kein Radiosender erlauben."