In der heutigen Episode freue ich mich Dr. Titus Gebel begrüßen zu dürfen. Wir sprechen über sein Konzept der »Freien Privatstädte«.
Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er war Mitgründer der Deutsche Rohstoff Gruppe sowie des Startups Dual Fluid, deren CFO Björn Peters, in Episode 73 zu Gast war. Dr. Gebel spielt auch eine wesentliche Rolle in der Etablierung einer ambitionierten Sonderentwicklungszone mit dem Namen Prospera in Honduras und berät andere Sonderwirtschaftszonen weltweit.
Aber das Thema des Gesprächs ist breiter: wir beginnen mit der Frage, was modernes Staatswesen ausmacht, was Freiheit bedeutet, was die Rolle von Bürger und Staat sind, wo die Ursprünge und philosophischen Ideen liegen und was bis zum heutigen Zeitpunkt in verschiedenen Nationen daraus geworden ist.
Wir beginnen mit einem Blick in die Geschichte, was ist die Rolle des Staates nach Thomas Hobbes und John Stuart Mill? Was ist der Begriff der Freiheit?
»Struggle between Liberty and Authority«
»By liberty, was meant protection against the tyranny of the political rulers.«, John Stuart Mill
Wie hat sich die Rolle des Staates verändert?
»Der moderne Staat hat sich etabliert, um seinen Bürgern vor allem zwei Grundpfeiler des Lebens zu garantieren: Freiheit und Sicherheit.«, K. P. Liessmann
Wie kommt es zu einem Mehr an Freiheit? Aus philosophischen Überlegungen und Ideen, oder aus pragmatischeren Aspekten? Führt der Weg von der göttlichen Bestimmung zur Freiheit? Wie wird der Wille des Volkes überhaupt bestimmt und was bedeutet dies für Minderheiten?
Wir beide stimmen darin überein, dass wir eine beginnende, schwere Krise in den westlichen Demokratien, beziehungsweise Verwaltung erkennen. Die Frage ist: wie ist diese zu erklären und wie könnten Wege heraus aussehen?
»Heute haben wir es mit einer Überdehnung des modernen Staates zu tun, und zwar sowohl wohlfahrtsstaatlich wie ökologisch. Mit dem Wohlfahrtsstaat, der eigentlich schon in der traditionellen Gemeinwohlformel angelegt ist, kehrt das summum bonum zurück: das größte Glück der größten Zahl; der gehobene Lebensstandard wird als politisches Recht definiert.«, Norbert Bolz
Bismarck gilt als Erfinder des Sozialstaats, was war die damalige Motivation? Wie hat sich der Sozialstaat seit damals entwickelt? Führen falsche Anreizsysteme für Politiker in die Krise, denn Gratisleistungen des Staates erscheinen nur gratis, sind es aber natürlich nicht?
»Es gibt in westlichen Demokratien keine klassisch liberalen Parteien mehr, das sind alles Umverteilungsparteien geworden«
»Die Gruppe der Menschen, die tatsächlich produktiv und wertschöpfend tätig ist, wird immer kleiner.«
Dazu passt auch der Gedanke des mittlerweile 93 jährigen Thomas Sowell:
»You have people making [political] decisions, for which they pay no price when they are wrong. No matter how high a price other people pay.«
Dr. Gebel hat ein Konzept entwickelt, das er Freie Privatstädte nennt und wir diskutieren über das Konzept, welche Rolle Verwaltung und Regierung einnehmen sollen, wie Anreizsysteme verbessert werden können und vergleichbare andere Ansätze, die in eine ähnliche Richtung gehen. Kann es so etwas wie Verwaltung als Dienstleistung geben?
» Der Staat sollte aus meiner Sicht theoretisch kein Monopol auf das Staatsgebiet haben. In Liechtenstein haben wir das verwirklicht. So zwingt man den Staat, ein guter Dienstleister zu sein.«, Hans Adam II von Liechtenstein
Wir sprechen dann über die zwiespältige Entwicklungen des 19. Jahrhundert, Engels und den Manchester-Kapitalismus. Welche Rolle spielt Solidarität, Menschwenwürde? Wer soll diese Gewährleisten, und in welcher Form? Welche Rolle spielt Selbstorganisation (bottom up) im Gegensatz zu staatlichen Top Down Mechanismen?
Ab wann gleitet ein Sozialstaat in einen »Nanny-State« ab, ganz nach dem alten sozialistischen Motto »Von der Wiege bis zur Bahre« in der Hand des Staates? Gibt es in Deutschland nur mehr vier Grüne und eine rechte Partei, und sind letztlich alle auf dem Pfad des »Rent Seeking«?
»Aus dem Recht der Bürger, nach ihrem Glück zu streben, wurde längst die Pflicht des Staates, für dieses Glück zu sorgen. Dass in einer Demokratie die Bürger diesen Staat ausmachen und deshalb solche Forderungen an sich selbst adressieren müssten, wird gerne vergessen«, Konrad Paul Liessmann
Machen wir den Fehler einen vermeintlichen Idealzustand mit dem Ist-Zustand zu vergleichen? Warum gelingt es auch nicht mehr — nach Cicero — dass die Begabtesten in die Politik gehen, sondern wir heute eher eine negative Auslese erleben?
»Wenn man merkt, dass man ein totes Pferd reitet, sollte man absteigen.«
Titus Gebel erklärt dann sein Konzept der freien Privatstädte genauer, auch die Abgrenzungen zu Charter Cities und Sonderwirtschaftszonen im Allgemeinen. Warum sind seiner Ansicht nach die Anreizsysteme in diesen Konzepten besser?
Welche Rolle spielt der Markt — als Entdeckungsverfahren — und wie können wir evolutionäre Prinzipien auch in Verwaltung und Staatswesen etablieren mit Mutation, Nachahmung, Reproduktion, beziehungsweise dem »Seed, Select, Amplify« (Meyer, Davis) Prinzip? Probieren und Scheitern sollte wieder möglich werden, sonst gibt es auch weiterhin keinen Fortschritt.
»Es wäre besser, wir würden in einer Welt von 2.000 Liechtensteins leben, die alle ein veschiedenes System haben als in 200 Staaten.«
Aber ist es realistisch, dass sich Koordination von viele kleine Einheiten global bei wesentlichen Fragen umsetzen lässt?
Wie könnte ein solches System überhaupt umgesetzt werden, wo doch alle Landflächen von existierenden Nationen kontrolliert werden? Gibt es eine reale Chance der Umsetzung? Oder gibt es schon exisitierende Beispiele? Dr. Gebel spricht über Beispiele in China, dem Nahen Osten, Saudi Arabien und Südamerika?
Sind diese Ansätze nicht nur Gated Communities für die Elite? Was macht ein Gemeinwesen? Ich fühle ja auch keine Gemeinschaft zu anderen Gästen in einem Hotel?
»Es gibt zwei Arten von Menschen: die einen, die ihre Meinungen anderen aufzwingen wollen, und die anderen, die das nicht wollen und die sagen, Leben und Leben lassen. Die erste Gruppe strebt natürlich in die Politik.«
Findet der wirkliche politische Konflikt heute nicht, wie so oft behauptet, zwischen links und rechts, sondern vielmehr zwischen autoritär und (klassisch) liberal statt?
»Leben und Leben lassen in unterschiedlichsten Formen des Zusammenlebens.«
Referenzen
Andere Episoden
Episode 73: Ökorealismus, ein Gespräch mit Björn Peters
Episode 58: Verwaltung und staatliche Strukturen — ein Gespräch mit Veronika Lévesque
Episode 57: Konservativ und Progressiv
Episode 29: Fakten oder Geschichten? Wie gestalten wir die Zukunft?
Episode 26: Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
Episode 17: Kooperation
Titus Gebel
Webseite von Dr. Titus Gebel
Deutsche Rohstoff AG
Dual Fluid
Titus Gebel, Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt (2023)
Free Cities Foundation
Liberty in Our Lifetime Konferenz 2023
Fachliche Referenzen
Honduran ZEDEs: Their Past and Future
Reason TV: A private libertarian city in Honduras (2023)
Franz Oppenheimer, Der Staat (1907)
Austrian Institute, „Der Staat soll nicht nur einer privilegierten Schicht dienen, sondern allen Menschen“ – Interview mit Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein (2017)
John Stuart Mill, On Liberty (1859)
Thomas Sowell im Gespräch mit Peter Robinson, Uncommon Knowledge(7.9.2023)
Konrad Paul Liessmann, Lauter Lügen, Paul Zsolnay Verlag (2023)
Norbert Bolz, Keine Macht der Moral, Politik jenseits von Gut und Böse, Matthes & Seitz Berlin (2021)
Christopher Meyer, Stan Davis, It's Alive, Texere Publishing (2004)
Karl Popper, Die Offene Gesellschaft
Karl Popper - Ein Gespräch (1974)
Roger Scruton, How to be a Conservative, Bloomsbury Continuum (2014)