Als im Januar 1942 hohe NS-Funktionäre in einer Villa am Wannsee einen "Gesamtplan zur europäischen Judenfrage" diskutieren, sind Leo Baeck und Viktor Frankl noch frei, sofern man zu der Zeit von Freiheit sprechen kann. Der Rabbiner Leo Baeck lebt, 68 Jahre alt und in der jüdischen Gemeinschaft hochgeachtet, in Berlin, der 36-jährige Psychotherapeut Viktor Frankl in Wien, wo er die neurologische Abteilung des Rothschild-Spitals leitet, des einzigen Krankenhauses, wo noch jüdische Ärzte jüdische Patienten behandeln dürfen. Baeck und Frankl sind gezwungen, den gelben Stern zu tragen. Ihre Deportation nach Theresienstadt steht noch bevor, beide werden viele Angehörige in der Shoah verlieren. "Ein Psycholog erlebt das KZ" heißt der Bericht, den Viktor Frankl kurz nach der Befreiung veröffentlichen wird, über seine Erlebnisse in mehreren Konzentrationslagern, darunter Auschwitz und das Dachauer Außenlager Kaufering. Später wird er es nennen: "... trotzdem Ja zum Leben sagen" - nach dem sogenannten "Buchenwaldlied", das auf Anweisung der SS im KZ Buchenwald geschrieben und gesungen wurde und heute fester Bestandteil von Gedenkfeiern ist. Frankl stellt sich im Lager selbst die Aufgabe "ärztlicher Seelsorge", beobachtet die Mitgefangenen und findet seine Überzeugung bestätigt: Menschen, die in ihrem Leben und Überleben einen Sinn finden, haben größere Chancen, das Grauen zu überstehen.
Leo Baeck dagegen spricht bis zu seinem Tod wenig über die Jahre in Theresienstadt, zu schmerzhaft sind die Verluste, zu groß ist die Trauer über die untergegangene, zerstörte Welt des deutschen Judentums. Umso deutlicher und voller Bewunderung sprechen die Zeitgenossen über sein segensreiches seelsorgerliches Wirken im Lager, seine Selbstlosigkeit, seine Geduld.
Beide sind nicht vergessen. Der eine begründete die psychotherapeutische Schule der Logotherapie, nach dem anderen sind Hochschulen und vieles andere benannt. Doch ihr Wirken in den Jahren im Lager ist heute nur wenigen bekannt. Sabine Rauh erzählt davon mit Hilfe zahlreicher Quellen und befragt Menschen, für die die beiden Männer heute ein Vorbild sind.