In dieser Episode spreche ich mit Christoph Chorherr über die Herausforderungen und Chancen von Politik für die Gestaltung unserer Zukunft.
Christoph Chorherr war langjähriger Politiker und Stadtplaner. Er war etwa Stadtrat der Grünen in Wien, sowie Bundesprecher der Grünen. 2008 gründete er in Südafrika das Ithuba Skills College, eine Schule in einer Township nahe Johannesburg. Er ist seit Anfang 2019 aus der aktiven Politik zurückgetreten und eröffnet Ende 2019 gemeinsam mit Helmut Gragger eine Bio Holzofen-Bäckerei.
In diesem Gespräch freue ich mich über die langjährige politische Erfahrung von Christoph Chorherr um über Politik und die Gestaltungsmöglichkeiten die Politik heute bietet zu diskutieren.
Wir beginnen das Gespräch mit seiner persönliche Motivation, die ihn in die Politik geführt hat – »Engagement lohnt sich«. Wir stellen die Frage, was wir aus »Corona« lernen können. Ist Politik alternativlos oder kann sie gestalten? Wenn ja, in welcher Weise und auf welchen Ebenen?
Technologie spielt eine immer wichtige Rolle in der Lebenswelt vieler Menschen. Erleben wir gerade ein Auseinanderdriften in moralisierende Lager, Twitter- und Facebook-Blasen? Wie gehen wir mit widersprechenden Positionen um und wie können wir wieder zueinander und zu einem konstruktiven Dialog finden?
Wir sprechen weiters über die Schwierigkeit der Prognose, Irrtümer und wie man daraus lernt:
Wird die Welt immer besser oder schlechter? In einem zum Teil inneren Dialog (am Beispiel von systemischen Effekten, Ökologie, der Zukunft Afrikas und des Gesundheitssystems) spricht der Optimist Christoph Chorherr mit dem Pessimisten und verhandelt einen Weg aus dem Dilemma.
Wo treffen wir sinnvollerweise die immer schwieriger werdenden Entscheidungen der Zeit? Global, top down, oder eher im Lokalen, im Kleinen?
Am Beispiel von Steve Bannon zeige ich die Gefahr zynischer Interpretationen der kritischen Lage der Welt auf und stelle die Frage, wie es gelingen kann, zu einer gemeinsamen, solidarischen Interpretation und Handlungsmacht zu gelangen. Homo homini lupus? Oder ist der Mensch doch gut, wenn man den richtigen Wolf füttert?
Wie greifen noch einmal die Ambiguitäten der moderen (sozialen) Medien auf? Trennen oder vereinen sie uns? Machen sie uns klüger oder doch dümmer? Wir gelangen mit dieser Frage zur Bedeutung von Bildung, aber welcher Bildung? Einer digitalten oder gar einer (altmodischen) humanistischen Bildung? Nimmt die Aufmerksamkeit stetig ab und wollen die Menschen nur mehr Soundbites – warum hören sie dann politische Podcasts die mehrere Stunden dauern?
Zuletzt sprechen wir über die Bedeutung von Entschleunigung im Prozess der Zivilisierung und die verschiedenen Gesichter der Transparenz.
Zum Abschluss stellen wir die Frage, wie man (Partei-) Politik wieder mehr Menschen zugänglich machen kann. »Wir haben eine Denunziation des politischen Engagement« in den letzten Jahrzehnten erlebt. Können wir das umdrehen? Sind Parteien doch gar keine so schlechte Idee und »Immunisieren gegen den Durchmarsch charismatischer Verrückter«. Und wie gehen wir als Europäer mit der »chinesischen Herausforderung« um?
Christoph Chorherr endet mit einer Frage zum Weiterdenken: wie können wir die Partien, die im 19. Jahrhundert gegründet wurden fit für das 21. Jahrhundert machen?
Referenzen
Christoph Chorherr
Christoph Chorherr auf Twitter
Homepage/Blog
Ithuba – Schulprojekt
Gragger und Chorherr Bäckerei
Christoph Chorherr, Verändert! Über die Lust die Welt zu gestalten
andere Episoden
Episode 24: Hangover – Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben
Episode 17: Kooperation
Episode 12: Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren haben
Episode 7, Episode 8: Alles wird besser (oder nicht?)
fachliche Referenzen
Hans Rosling
Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist
TED-Talks
Max Roser, Our World in Data
Jonathan Haidt, The Righteous Mind
Ulrike Guerot, Warum Europa eine Republik werden muss: Eine politische Utopie
Nassim Taleb, Das Risiko und sein Preis – Skin in the Game
Steven Bannon
Steven Bannon, Biosphere project
Trump's Chief Strategist Steve Bannon Ran a Massive Climate Experiment, Wired (2016)
Rutger Bregman, Im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit
Bernhard Pörksen, Die Kunst des Miteinander-Redens
Douglas Rushkoff
Team Human Podcast
Team Human Buch
Richard David Precht – Entschleunigung (Sternstunde Philosophie)
Transparenzgesellschaft
Byung Chul Han, Psychopolitik
Lawrence Lessig, Against Transparency

Kultur & GesellschaftBildungWissenschaft & Technik
Zukunft Denken – Podcast Folgen
Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft wieder?
Folgen von Zukunft Denken – Podcast
122 Folgen
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Folge vom 22.06.2020026 – Was kann Politik (noch) leisten? Ein Gespräch mit Christoph Chorherr
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Folge vom 29.05.2020025 – Entscheiden unter UnsicherheitThema dieser Episode ist Entscheiden unter Unsicherheit oder etwas genauer, Unter welchen Voraussetzungen sind evidenzbasierte Entscheidungen angebracht, und wie ist unter Unsicherheit, also etwa bei komplexen Problemen zu entscheiden. Auch dies ist wieder keine Corona-Episode im engeren Sinne, wenngleich die Corona-Krise ein gutes Beispiel für eine Situation ist, wo evidenzbasierte Entscheidung nur bedingt möglich ist. Zunächst gibt es wieder einmal einen Blick in die Vergangenheit: Was können wir von James Lind, Florence Nightingale, Archie Cochrane und John Ioannidis über Fortschritt in der Medizin und evidenzbasiertes Entscheiden lernen? Was sind die Voraussetzungen, damit man in einer bestimmten Problemlage evidenzbasiert Entscheiden kann? Zunächst versuche ich Risiken in drei Klassen einzuteilen und mit Beispielen zu unterlegen um damit deutlich zu machen, dass es von großer Bedeutung ist zunächst einmal zu verstehen, mit welcher Art von Risiko wir es in einem konkreten Fall überhaupt zu tun haben. Darf man etwa Masern Herzinfarkt Autounfälle Ertrinken im Swimmingpool politische Konflikte Covid-19 Finanzmärkte Klimakrise miteinander vergleichen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Wann ist ein System oder ein Problem komplex und was bedeutet das für Entscheidungen? Unter welchen Voraussetzungen ist schnelles und aggressives Handeln das Mittel der Wahl, unter welchen Deliberation und Bezug auf vergangene Ereignisse? Ist rationales Entscheiden Intuition und Bauchgefühl immer überlegen? Warum wird dann so häufig defensiv oder pseudo-rational entschieden? Wenn man über ein akutes Problem hinausblickt: wie kann man sich für die Zukunft vorbereiten? Welche systemischen Aspekte könnte man bedenken Vorbereiten auf Tail Risks Resilienz vs. Effizienz Vielfalt statt Einfalt Verteilung statt Konzentration enge oder lockere Kopplung? Versicherung In dieser Episode wird es wieder einige Anregungen zum Weiterdenken geben, aber wir müssen auch einige Aspekte für spätere Episoden offen lassen, z.B. Eine vertiefte Betrachtung komplexer Systeme und deren Probleme, z.B. »Wicked Problems« Solutionism – wie Technik unseren Blick auf Probleme verwirren kann Atomwaffen und internationale Politische Konflikte Referenzen andere Episoden Episode 27: Wicked Problems Episode 23: Frozen Accidents Episode 22: Biodiversität und komplexe Wechselwirkungen – Gespräch mit Prof. Franz Essl Episode 13 und 14 – (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1 & Teil 2 Episode 10: Komplizierte Komplexität Episode 6: Messen, was messbar ist? fachliche Referenzen John Ioannidis John Ioannidis, Why most published research finding are false, PLoS medicine (2005) John Ioannidis, A fiasco in the making? As the coronavirus pandemic takes hold, we are making decisions without reliable data James Lind: The man who helped to cure scurvy with lemons, BBC Florence Nightingale – Data Scientist Florence Nightingale as Statistician, Edwin W. Kopf, Publications of the American Statistical Association, Vol. 15, No. 116 (Dec., 1916) Florence Nightingale, datajournalist: information has always been beautiful, The Guardian (2010) Presentation by Prof. Lynn McDonald at Gresham College. (30. Oct., 2014) Archie Cochrane Archie Cochrane: - 1971 Rock Carling Fellowship monograph Effectiveness and Efficiency: Random Reflections on Health Services, first published in 1972 by the Nuffield Provincial Hospitals Trust Archie Cochrane and his vision for evidence-based medicine, Hriday M. Shah, Kevin C. Chung (2009) Tim Harford, Trial and Error (2012) Flash Crash Neil Johnson, Abrupt rise of new machine ecology beyond human response time, Nature Scientific Reports (2013) Chris Clearfield, Meltdown: Why systems fail and what we can do about it (2018) The Artificial Intelligence Revolution: Part 1 - Wait But Why (2015) Gerd Gigerenzer Gerd Gigerenzer, Wie trifft man gute Entscheidungen Gerd Gigerenzer, Bauchentscheidungen (2008) Gerd Gigerenzer, Risiko (2014) Peter Kruse Peter Kruse, Wie reagieren Menschen auf Komplexität? (YouTube) Peter Kruse, next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität (2004) Nassim Taleb Nassim Taleb, Skin in the Game (2018) Nassim Taleb, Yaneer Bar-Yam, Uncertainty, Certainty and what to do when there is Systemic Risk(2020) Nassim Taleb, Yaneer Bar-Yam, Pasquale Cirillo, On single point forecasts for fat-tailed variables (2020) Steve Jobs on Consulting
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Folge vom 09.05.2020024 – Hangover: Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter PurgathoferIn der heutigen Episode spreche ich mit Prof. Peter Purgathofer über das Internet. Genauer gesagt über die letzten 25 Jahre: Wie haben wir in den 1990er Jahren das »Internet« (also die neuen technischen Möglichkeiten aber auch den stetig wachsenden Services) gesehen? Welche Umbrüche und Verbesserungen für Gesellschaft und Wirtschaft haben wir uns erwartet, was waren die Visionen, in welchen bunten Farben habe jedenfalls ich mir damals die neue (digitale) Zukunft ausgemalt. Als historische Referenz dieser Vision ein Vergleich zum 19. Jahrhundert und dem Unternehmen Cyrus Field, der das erste Transatlantik-Kabel (1861) gelegt hat: »Its value can hardly be estimated to the commerce, and even to the peace, of the world.« Information sollte für jeden Menschen auf der Welt leicht zugänglich sein, die Schranken für den Austausch und die damit verbundenen Gatekeeper minimiert. Demokratisierung vieler gesellschaftlicher Systeme, neue Formen von Journalismus, Medien, Schule, Lehre und Forschung, waren die Ansprüche; aber auch: Durchbrechen der bestehenden Monopole in den Medien, der Telekommunikation und Unterhaltungsindustrie, um nur einige Aspekte zu nennen. Was haben wir aus heutiger Sicht bekommen? In Zeiten einer Corona-Krise erkennen wir einerseits, dass digitale Technologien uns Möglichkeiten geschaffen haben, die noch vor kurzem nicht denkbar gewesen wären, die eine solche Krise noch wesentlich schwieriger bewältigen ließen. Wir müssen andererseits aber auch feststellen, dass wir an vielen Ecken aus unserer Sicht die falsche Abzweigungen genommen haben, die etwa zu fragwürdigen Geschäftsmodellen geführt haben: Eine Art von Monopol wurde durch neue Monopole abgelöst: Überwachungs- und Ausbeutungskapitalismus und persönliches Targeting und Manipulation kann man als Folge nennen. Auch für Kunst, Kultur und Demokratie sieht es daher bei weitem nicht alles so rosig aus, wie wir uns das erhofft hatten. Das hat natürlich auch ökonomische Gründe: »Eine solidarische Gesellschaft ist eine, mit der man weniger Geld machen kann als eine individualistische Gesellschaft, wo jeder für sich selber verantwortlich ist. «, Peter Purgathofer Wo stehen wir heute und was sind wesentliche Richtungsentscheidungen vor denen wir heute stehen um das Boot wieder in eine bessere Richtung zu steuern? Die Möglichkeiten der neuen Technologie für die gesellschaftliche Zukunft sind nach wie vor enorm, leider auch die Risiken. »We need a time-out from all this frantic digital innovation to reflect on what we think we’ve been doing.« ?, James Howard Kunstler Anmerkungen zum Beginn des Gespräches Peter erwähnt zwei Personen zu Beginn des Gespräches, wo uns die Referenzen nicht greifbar waren; es handelt sich um: (1) Das Manifest von John Perry Barlow, A Declaration of the Independence of Cyberspace (1996), ein Zitat daraus: »Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather.« (2) Vinton Gray (»Vint«) Cerf (Zentrale versus verteilte Netzwerksteuerung) ist einer der TCP/IP-Ingenieur und gilt einer der »Begründer« des Internets. In der BBC-Dokumentation The Virtual Revolution (Folge 2) hat er 2010 folgendes gesagt: »it became more and more apparent that the internet's style of operation was the antithesis of what most countries had been accustomed to. in fact in the early days telephony and telegraphy there was only one network and it was often managed by and operated by the government, giving it substantial control. So I rather liked the idea, that the internet didn't have that let me call it deficiency and therefore opened a platform up. it's probably the most democratic opportunity for people to express themselves and to get information that has ever existed.« Referenzen Peter Purgathofer ist Forscher und Universitätslehrer an der Forschungsgruppe Human Computer Interaction an der TU Wien sowie Koordinator des Masterstudiums Media and Human-Centered Computing. Homepage von Peter Purgathofer Twitter: @peterpur Frühere Episoden Episode #019: Offene Systeme Teil 1 Episode #020: Offene Systeme Teil 2: Gespräch mit Christoph Derndorfer und Lukas Lang Episode #015: Innovation oder Fortschritt? Weitere Referenzen John Perry Barlow, A Declaration of the Independence of Cyberspace (1996) BBC Doku über Vint Cerf Laura Spinney, Inequality doesn't just make pandemics worse – it could cause them, The Guardian (2020) Laura Spinney, Pale Rider, The Spanish Flu of 1918 and How it Changed the World (2018) James Howard Kunstler, Living in The Long Emergency (2020) Harald Welzer und Richard David Precht in den Sternstunden Philosophie: Precht über den Fortschritt der Gesellschaft durch Verlangsamung von Prozessen Corona App: Wie gute Absicht den Weg zu einer autoritären Gesellschaft öffnet Yuval Noah Harari, The World after Corona Virus, Finincial Times (2020)