Sie nannten ihn "El Greco", weil er aus Griechenland kam, das war
ungewöhnlich genug im sechzehnten Jahrhundert, dass einer der großen
Künstler den Seeweg aus dem Osten in den Westen nahm: In Venedig, wo er
1568 von Kreta aus landete, saugte er die Malerei von Tizian und
Tintoretto in sich auf, dann ging es weiter nach Rom, wo er die ganze
große Renaissancekunst verschlang, doch dann zog es ihn weiter, nach
Spanien, weil seine Form katholischer Kunst von den Italienern nicht
verstanden wurde. Auch in Madrid rieben sich die Menschen die Augen,
doch dann, im benachbarten Toledo, fand er den Ort seines Lebens und
erfand eine neue Form der katholischen Malerei: voller Gefühl, voller
Leidenschaft, die Figuren überlängt, zum Himmel hinauf greifend. Und
alles getaucht in eine eigentümliche Farbigkeit, seine Mäntel schillern
metallisch, seine Himmel wirken flackernd wie am jüngsten Tag.
Dieser absoluten Ausnahmefigur der europäischen Malerei widmet sich die
neueste Folge von Augen zu, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE.
Florian Illies und Giovanni di Lorenzo stellen El Greco vor und fragen,
was ihn so sonderbar und so besonders macht. Ihr Fazit:
El Greco fand einen malerischen Ausdruck für Spiritualität, dafür
liebten ihn die Kardinäle – und die Menschen. Dann geriet er in
Vergessenheit, er war zu sonderbar für das Zeitalter des Barock. Und so
dauerte es dreihundert Jahre, bis die größten Maler der Moderne, nämlich
Cézanne und Van Gogh, El Greco für sich entdeckten und an ihn glaubten
wie er einst an Gott.
Die Begründer der Moderne machten ihn zum wahren Urvater des
Expressionismus, weil er als Erster begonnen hatte, das Gefühlsinnere
der Figuren in ihrer äußeren Gestalt sichtbar werden zu lassen. Und weil
El Greco, der in seiner griechischen Jugend Ikonenmaler gewesen war, es
geschafft hatte, auch auf seinen eigenen Bildern die Perspektive nicht
so ernst zu nehmen wie die Hochmeister der Renaissance – dafür aber den
Menschen. Und genau deshalb bis heute so direkt zu den Menschen spricht
wie kaum ein anderer Maler der Zeit vor und um 1600.
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