In der Debatte um das für den 16. März geplante Inkrafttreten einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat Michael Harig (CDU), Landrat des Landkreises Bautzen, erneut vor drohenden Engpässen in ländlichen Regionen gewarnt. Im Podcast "CoronaCast" bei Sächsische.de sagte er: "Wenn wir jetzt diese Impfpflicht durchsetzen müssen, [...] hätten wir ein ganz großes Problem die Sicherheit der Pflege im häuslichen Bereich genauso wie im stationären Bereich sicherzustellen."
Damit bekräftigt Harig seine bereits Ende Januar in einem offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) formulierte Forderung, das geplante Gesetz noch einmal auf den Prüfstand stellen zu lassen. Mit dieser Ansicht ist der Bautzner Landrat indes nicht allein. Auch die Räte der übrigen sächsischen Kreise und Städte argumentieren ähnlich und hatten vergangene Woche über den Landkreistag die Aussetzung der Impfpflicht für Gesundheitsberufe gefordert.
Doch können Regionalpolitiker ein im Bundestag beschlossenes Gesetz so einfach bremsen oder gar blockieren? "Nein, das können Landräte nicht. Das können auch Ministerpräsidenten nicht. Der Bundestag hat dieses Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen und Länder haben zugestimmt.", sagt Harig im Podcast. Insofern sei das Gesetz bindend.
In der Antwort schwingt das direkt darauffolgende "Aber" allerdings direkt mit. Harig betont: "Was seit dem Beschluss anders geworden ist, ist der Umstand, dass wir jetzt eine andere Virus-Variante haben." Damals sei man noch von der Delta-Variante ausgegangen. Nun sei mit Omikon eine Mutante vorherrschend, die auch zu höheren Infektionszahlen bei Geimpften führe. Damit sei, so Harig, das Erreichen des Ziels, nämlich mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vulnerable Gruppen zu schützen, nicht mehr erreichbar. "Insofern stellt sich die Frage, ob der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte noch begründbar ist", stellt Harig fest.
Ein Aussetzen der Impfpflicht, das wird auch in Harigs Aussagen im CoronaCast deutlich, würde dem Landkreis erhebliche Aufwände und weitere Konflikte ersparen. "Wir gehen gegenwärtig davon aus, dass wir circa 5.000 Beschäftigte im Landkreis haben, die aufgrund ihres Impfstatus' angehört werden müssten." Das entspräche etwa 30 Prozent des Personals in Pflege- und Medizinberufen im Kreis Bautzen. Für diese Gruppe müssten in Einzelfällen Voraussetzungen für eine weitere Beschäftigung geprüft werden.
Was damit gemeint ist, erklärt Harig so: "Wenn wir zu dem Schluss kommen, die Menschen müssen weiterarbeiten, weil sonst die Pflege nicht gewährleistet ist, wird es Auflagen geben." Dazu würden Maßnahmen wie tägliches Testen oder das Tragen von Masken zählen.
Zufriedenstellend hielte Harig das nicht. "Wenn die Impfpflicht - ich sage das jetzt mal so - unterlaufen werden muss, weil ansonsten Versorgungssysteme zusammenbrechen, stellt sich die Frage, ob man diesen Druck jetzt aufrechterhalten muss." Zudem mahnt Harig an, dass beim Greifen zum äußersten Mittel, nämlich einem Betretungs- und Beschäftigungsverbot für einen Ungeimpften ein Geimpfter dessen Arbeit mit erledigen müsse. Harig befürchtet, dass deshalb ohnehin vorhandene gesellschaftliche Spannungen vergrößert werden könnten und meint in der Summe der Argumente betrachtet schließlich: "Lieber keine Impfpflicht als eine schlechte Impfpflicht."
Außerdem Themen des Gesprächs:
- Welche Auswirkungen haben Coronaproteste auf das Image des Landkreises?
- Die Diskussion um die Aussagen von Vize-Landrat Udo Witschas bei Corona-Demo
- Warum in Sachsen die Impfskepsis größer als anderswo ist
Das Podcast-Gespräch wurde über einen Videoanruf aufgezeichnet. Alle am Gespräch beteiligten Personen saßen ausreichend weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.