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Die umstrittene Gefangenschaft der IS-Angehörigen Maria G.
Die Salzburgerin Maria G. reiste 2014 nach Syrien, heiratete einen mutmaßlichen IS-Kämpfer und sitzt nun mit ihren zwei Kindern in kurdischen Gefangenenlagern fest. Die Eltern bemühen sich um Rückholung, doch die österreichischen Ministerien lehnen ab.
"Meint ihr wirklich, dass irgendjemand uns hier rausholen wird?" Die Salzburgerin Maria G. war 2014 noch 17 Jahre alt, als sie nach Syrien reiste und einen vermutlichen IS-Kämpfer heiratete und mit ihm zwei Söhne bekam. Nun sitzt sie seit 2019 mit ihren Kindern in kurdischen Gefangenenlagern im Nordosten Syriens fest. Ihre Eltern bemühen sich seit diesem Zeitpunkt verzweifelt um eine offizielle Rückholung. Aber die zuständigen Ministerien in Österreich lehnen ab.
Als die Terrormiliz "Islamischer Staat" 2019 militärisch Niederlage erleidet, werden tausende IS-Anhängerinnen und -anhänger in die von Kurden geführten Gefangenenlagern im Nordosten Syriens gebracht und inhaftiert. Laut den Vereinten Nationen befinden sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Camp Al-Hol, wo auch Maria G. und ihre beiden Kinder sich befinden, über 70.000 Menschen, darunter 12.000 ausländische Frauen und Kinder von Jihadisten. In den überfüllten Lagern herrschen katastrophale Verhältnisse, weil sie eigentlich für wesentlich weniger Menschen ausgelegt sind. Hinzu kommt noch, dass die Kindersterblichkeit sehr hoch liegt. "Wie oft hatten sie versucht, sie zu holen! Wir hätten sie bereits 300 Mal retten können, in fünf Tagen wäre das Kind mit den Enkelkindern hier!", sagt Susanne G..
Die Eltern von Maria machen sich große Sorgen um das Leben ihrer Tochter und auch um das Wohl der beiden Enkelkinder, von denen der jüngere damals erst ein Jahr alt war und sein älterer Bruder drei. Sie setzen alles daran, auch mit der Hilfe von Anwälten, die österreichische Regierung dazu zu bewegen, die drei aus dem Lager zu befreien. Maria wäre bereit, sich den Justizbehörden in Österreich zu stellen, trotz des europäischen Haftbefehls gegen sie, während sich die Großeltern um ihre Enkelkinder kümmern würden. Das Außenministerium verweist jedoch auf Sicherheitsbedenken und zeigt sich nur bereit, die Kinder zurückzuholen, nicht jedoch ihre Mutter.
Mehrfach haben die kurdischen Vertreter der autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens gefordert, dass die Herkunftsländer ihre Staatsbürger zurückholen und sie vor Gericht bringen. Gleiches verlangt auch die UNO. "Die Frauen müssen nach Hause zurückgebracht werden", sagt die UN-Sonderberichterstatterin für den Schutz der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung, Fionnuala Ní Aoláin. "Basierend auf internationalem Recht ist dies eine Verpflichtung." Laut Angaben des Außenministeriums halten sich derzeit weniger als 10 Personen aus Österreich "in Lagern in von nicht-staatlichen Akteuren besetzten Gebieten" auf. Bisher hat Österreich vier Kinder zurückgeholt. Andere europäische Länder wie Schweden und Frankreich haben zunächst den Fokus auf die Rückführung von Kindern gelegt, doch diese Strategie hat sich inzwischen geändert.
"Frankreich und Deutschland haben ihre Mütter repatriiert", erklärt Ní Aoláin. "Österreich ist daher in vielen Bereichen nicht mehr im Einklang mit der europäischen Praxis." Anwältin Doris Hawelka hat Ende 2023 eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Außenministeriums eingereicht, Maria G. und ihre Kinder nicht zurückzubringen, vor dem Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Nun besteht die Möglichkeit, diese Entscheidung in einem ordentlichen rechtsstaatlichen Verfahren zu überprüfen. Die Familie muss vorerst weiterhin abwarten. Seit 10 Jahren hat Maria G. ihr Zuhause verlassen. Ihre inzwischen sechs- und achtjährigen Kinder wachsen im Flüchtlingslager weder mit Schulbildung noch mit einer angemessenen Gesundheitsversorgung auf.
"Die umstrittene Gefangenschaft der IS-Angehörigen Maria G." im Überblick
Die umstrittene Gefangenschaft der IS-Angehörigen Maria G.
von Eva Roither
Sendezeit | So, 12.01.2025 | 14:04 - 15:00 Uhr |
Sendung | SWR Kultur "Feature am Sonntag" |