Die deutsche Talk-Ikone Bettina Böttinger spricht über ihren queeren Podcast „Wohnung 17“ auf WDR2, Erfolgsrezepte für ein gutes Gespräch, LGBTI-Themen im Mainstream und ihre Sehnsucht nach Freiheit.
Aus ihrer Homosexualität machte sie nie ein Geheimnis, und in ihren Talkformaten hatte sie immer auch queere Menschen zu Gast. Doch die "Vorzeige-Lesbe vom Dienst im Fernsehen", die wollte Bettina Böttinger nie sein – aus Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden.
Umso überraschender die Ankündigung im Frühjahr, dass die 65-Jährige mit "Böttinger. Wohnung 17" auf WDR2 einen eigenen queeren Podcast startet. Seit April empfängt sie jede Woche einen neuen Gast aus der LGBTI-Community in ihrem Apartment in der Kölner Innenstadt, unterstützt vom WDR und gut gebrieft von einer eigenen Redaktion – beispielhafte Voraussetzungen für queeren Journalismus, aber auch Arbeitsbedingungen, von denen queere Medien und auch QUEERKRAM-Macher Johannes Kram nur träumen können.
Doch Neid spielt keine Rolle bei dem Gespräch zwischen Kram und Böttinger in Berlin, sondern der Respekt für die gegenseitige Arbeit und die Freude, dass queere Themen im sogenannten Mainstream angekommen sind. Was aber nicht heißt, dass es in der neuen, sehr lebendigen QUEERKRAM-Folge keinerlei Kontroversen gibt.
"Vielleicht weil ich 65 geworden bin", meint Bettina Böttinger auf die Frage von Johannes Kram, warum sie sich auf ein rein queeres Format eingelassen hat. "Es ist an der Zeit, dass ich etwas mache, wo ich frei agiere." Sie verspüre zudem eine "gewisse Ungeduld", so die Talkmasterin, und verweist auf queerfeindliche Bewegungen von rechts. "Wo Einschränkung und Nicht-Akzeptanz drohen, ist es nötiger, Farbe zu bekennen."
Die Sofa-Gespräche mit den queeren Gästen, die in ihrem Leben oft besonders standhaft und wehrhaft sein müssten, seien persönlicher und privater als in ihren Fernseh-Talkshows, erzählt Böttinger. "Das Aufblättern von queeren Lebensgeschichten finde ich wirklich berührend." Dabei versteht sich die Moderatorin durchaus als Volksaufklärerin: Als Publikum habe sie immer auch nicht-queere Menschen im Blick.
Um Unterhaltung mit Haltung geht es in dem rund einstündigen Gespräch, um Talkshow als Geschäft, um Fragen, die man besser nicht fragt, um Mitleid mit Armin Laschet und um die Neugierde an den Gästen. "Es gibt kein Leben, das nicht irgendwie spannend ist", sagt Bettina Böttinger. "Ich will mich nicht langweilen, deshalb frage ich ungern Dinge, die ich schon weiß."
Natürlich kommt auch der Harald-Schmidt-Eklat zur Sprache. 1995 fragte Schmidt in seiner Sendung, was Böttinger mit einer Ausgabe der "Emma", Eierlikör und einer Klobrille gemeinsam habe. Seine Antwort: Kein Mann fasse sie freiwillig an. Die Moderatorin ließ sich die unterirdische Beleidigung nicht gefallen, besuchte Schmidt trotz der ganzen Häme in dessen Show, um diese dann nach einem klaren Statement frühzeitig zu verlassen.
Solch offene Homofeindlichkeit gebe es heute nur noch sehr selten, stellt Böttinger im Podcast zufrieden fest. Doch wie man auf gemäßigtere Attacken reagieren sollte, darin wird sie sich mit Kram nicht einig. Sie selbst möchte mit Begriffen wie "Homophobie" nicht um sich werfen, sagt die Moderatorin. "Wenn es sich innerhalb der Meinungsfreiheit bewegt, muss man das aushalten." Ihr Rat: "Ausflippen kann man zu Hause im Badezimmer." Erst wenn es strafrechtlich relevant werde, sei Widerstand angebracht.
Das sieht Johannes Kram natürlich anders, der sich im Gespräch veranlasst sah, auf seine eigene Rolle in der Debatte zu verweisen: Denn diese hatte sich an der Polemik von Sandra Kegel gegen #ActOut entzündet, in der die FAZ-Redakteurin Diskriminierung leugnete und den beteiligten Schauspieler*innen vorwarf, sich nur wichtigmachen zu wollen.