"Solange es Menschen geben wird, solange wird es Theater geben" - Maria Becker über die Zukunft des Theaters
Das Theaterlexikon von Manfred Brauneck und Wolfgang Beck nennt sie "eine der bedeutendsten Charakterdarstellerinnen des deutschen Theaters im 20. Jahrhundert", die eine "klassische Tragödin, aber auch im komischen Fach bedeutend" war. Wenn sie auch in nur wenigen Filmen mitwirkte, so spielte sie im Theater alle Rollen, die die klassische und moderne Literatur zu bieten hatte. Maria Becker war eben "das Prunkstück des Schweizer Theaters", wie "Die Welt" vom 26.1.90 konstatierte.
Neuanfang in der Schweiz
Das Licht der Welt erblickte Maria Becker am 28.1.1920 in Berlin. Der Weg zur Schauspielerei schien für sie vorbestimmt zu sein, denn sie entstammte einer Schauspielerfamilie: ihr Vater Theodor Becker und ihre Mutter Maria Fein gehörten damals zu den ganz Großen der Mimenriege. Ihre schauspielerische Ausbildung erhielt Maria Becker von 1936 – 1938 an dem berühmten Max-Reinhardt-Seminar in Wien, wo sie mit ihrer Mutter 1936 von Berlin übersiedelte. Doch noch während des Studiums kamen die ersten Auftritte: unter anderem zusammen mit ihrer Mutter am Deutschen Volkstheater. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland musste Maria Becker weiterziehen und kam 1938 nach Zürich. Dort erhielt sie ein Engagement am Zürcher Schauspielhaus, dem sie – entgegen ihrer ursprünglichen Pläne – jahrelang angehörte. Der Grundstein für eine fabelhafte Theaterkarriere war nun gelegt.
Die Prinzipalin
Der Aufstieg von Maria Becker zum Bühnenstar nahm ein rasantes Tempo. Konsequent erweiterte sie ihr Repertoire um Rollen sowohl aus der klassischen wie auch der modernen Theaterliteratur. Man sah sie auf der Zürcher Bühne in zahlreichen Klassikern der Literatur unter anderem solcher Autoren wie Aischylos, Schiller, Goethe, Hebbel, Shakespeare, Grillparzer, Ibsen, Wilder oder auch Brecht, um nur einige wenige zu nennen. Insgesamt sollen es über 150 Rollen gewesen sein, in die Maria Becker schlüpfte. Außer den Auftritten am Zürcher Schauspielhaus gastierte die unermüdliche Schauspielerin auch auf anderen Bühnen. So war sie unter anderem in Wien, Berlin, München, Hamburg oder auch in Salzburg zu bewundern. Zusätzlichen Ruhm erwarb sich Maria Becker mit der "Schauspieltruppe Zürich", die sie mit ihrem Mann, dem Schauspieler und Regisseur Robert Freitag und Will Quadflieg 1956 gegründet hatte. Mit ihr ging sie auf zahlreiche Tourneen, die sie nicht nur quer durch Europa, sondern auch auf Bühnen in Übersee geführt haben. Nicht selten übernahm "die Prinzipalin" hier auch die Regie.
Eine der größten Tragödinnen
So aktiv die große Tragödin auf den Theaterbrettern auch war, umso seltener agierte Maria Becker vor der Filmkamera. Ihr Filmdebüt gab sie 1940 in dem schweizerischen Film "Ist Dr. Ferrat schuldig?" von Edmund Heuberger. Neben weiteren Rollen in Kinofilmen wie in den Dramen "Vor Sonnenuntergang" oder "Wilhelm Tell - Flammende Berge", stand Maria Becker unter anderem auch mehrfach für die Krimiserien "Der Alte", "Der Kommissar" oder "Derrick" vor der Kamera. Insgesamt war sie in knapp zwei Dutzend Produktionen zu bewundern. Bis ins hohe Alter war Maria Becker - sei es als Schauspielerin oder Regisseurin – im Theaterbetrieb tätig. Die "elegante Tragödin", wie sie von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 27.1.90 genannt wurde, war auch Trägerin zahlreicher Auszeichnungen. So wurde sie unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse und mit der Goldenen Ehrenmedaille des Zürcher Regierungsrates geehrt. Maria Becker starb am 5.9.12 in Uster, Kanton Zürich. Zahlreiche namhafte Gazetten würdigten sie in ihren Nachrufen als eine der größten Tragödinnen des deutschsprachigen Theaters.
Im Juni 1972 sprach DW-Redakteurin Elisabeth Bachtler mit Maria Becker über eine ihrer Rollen und über die Zukunft des Theaters.
Autor: Andreas Zemke
Redaktion: Diana Redlich