Die Stimmung schwankt zwischen mies, schlecht und katastrophal: "Goodbye
Germany – die Wirtschaft flieht aus Deutschland", "Die Rückkehr des
Kranken Mannes" und "Konjunktur der Angst" lauten die Schlagzeilen zur
Lage des Standort D. Während unsere Nachbarländer einen ökonomischen
Aufschwung feiern, schrumpft in Deutschland die Wirtschaft – laut einer
IWF-Prognose um 0,3 Prozent in diesem Jahr. Das Wehklagen ist groß: über
zu hohe Energiepreise, über den immer größeren Fachkräftemangel, über
die ausufernde Bürokratie und über eine Regierung in Berlin, die
öffentlichen Streit immer stärker zu ihrem Markenkern macht. Experten
warnen vor einer Deindustrialisierung, vor einer Massenabwanderung von
Unternehmen, und sehen das Land am Abgrund. Bereits einen Schritt davor
wähnt es der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan
Wolf: "Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig."
Stimmt das?
In der neuen Ausgabe von "Das Politikteil" diskutieren Ileana Grabitz
und Peter Dausend mit dem Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum
darüber, wie schlimm es tatsächlich um die deutsche Wirtschaft steht.
Was sind die Gründe für den Abschwung, was wurde versäumt, was zu spät
angepackt, welche Verantwortung trägt die Ampel-Koalition für all das –
und wie kommen wir eigentlich aus dieser Misere wieder heraus?
Südekum sortiert die Wehklagen und ordnet ein, welche berechtigt, welche
überzogen – und welche politisch motiviert sind. Warum sich die Krise
heute nicht mit der zu Beginn des Jahrtausends vergleichen lässt, als
sich die Regierung Schröder zu einem Großumbau des Sozialstaates
gezwungen sah, analysiert er ebenso wie den Einfluss des russischen
Angriffskrieges in der Ukraine auf die deutsche Wirtschaft. Südekum
verteidigt den Atomausstieg gegen Kritiker, plädiert für eine
Flexibilisierung des Renteneintrittsalters und erläutert, warum er das
Bild von Deutschland als "kranken Mann Europas" für verfehlt hält. Die
Lösung der Krise sieht er vor allem in einer grundlegenden Staatsreform,
die die wechselseitige Blockade von Bund und Ländern beendet, sowie in
einer Orientierung am amerikanischen Inflation Reduction Act, dem 370
Milliarden Dollar starken Investitionsprogramm in grüne Technologien.
Südekum spricht sich dafür aus, ein Sondervermögen von 100 Milliarden
Euro für ähnliche Investitionen hierzulande aufzulegen. Das
Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (Volumen:
6,5 Milliarden) hält er für deutlich zu unambitioniert.
Jens Südekum ist Professor für internationale Volkswirtschaftslehre an
der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und Mitglied im
Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und
Klimaschutz. Er hat VWL in Göttingen und an der University of California
in Los Angeles studiert und 2003 mit einer Arbeit zu regionalen
ökonomischen Disparitäten innerhalb der EU promoviert.
Im Podcast "Das Politikteil" sprechen wir jede Woche über das, was die
Politik beschäftigt, erklären die Hintergründe, diskutieren die
Zusammenhänge. Immer freitags mit zwei Moderatoren, einem Gast – und
einem Geräusch. Neben Ileana Grabitz und Peter Dausend sind auch Tina
Hildebrandt und Heinrich Wefing als Gastgeber zu hören.
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