In zwei kurzen Impuls-Vorträgen entwerfen Ricarda Lang und Michael Kruse
ihre Vorstellung von einem besseren Sozialstaat. Bevor sie, moderiert
von ZEIT-Redakteurin Anna Mayr, miteinander ins Gespräch kommen und dann
noch die zahlreich gestellten Publikumsfragen beantworten. Der
FDP-Politiker überrascht mit der Meinung, dass seine "Idealvorstellung
von einem Sozialstaat eigentlich wäre, dass wir ihn möglichst gar nicht
brauchen". Der Sozialstaat solle sich möglichst auf die Rolle des
"Enablers" beschränken, in einer Gesellschaft, in der "jeder seines
Glückes Schmied ist".
Ricarda Lang hingegen meinte, man müsse über den als etwas "schmuddelig"
geltenden Begriff "Armut" sprechen. Sie führt aus: "Warum reden wir
nicht gerne über Armut? Weil wir Armut immer noch häufig als
persönliches Problem verstehen, als ein persönliches Scheitern des
Einzelnen. Und meine Utopie eines Sozialstaates ist, dass wir genau
davon wegkommen. Denn aus meiner Sicht ist Armut kein Naturgesetz, es
ist auch kein persönliches Scheitern, sondern es ist tatsächlich eine
politische Entscheidung." Deshalb reiche es nicht, nur auf
Chancengleichheit zu schauen.
Der im ärmeren Hamburger Stadtteil Steilshoop aufgewachsene Michael
Kruse betont die Freiheit jedes einzelnen, sich seine eigenen Ziele zu
setzen und diese auch erreichen zu können. Beide sind sich einig, dass
faire Löhne gezahlt werden sollten. Und wenn das so wäre, sagt Ricarda
Lang, dann liefere, "niemand mehr in 15 Minuten dein Gorilla-Essen nach
Hause". Wolle man diesen Luxus weiterhin haben, "dann muss es gut
bezahlt sein und dann ist es vielleicht in dem Fall die paar Euro
teurer".
Das Gespräch mit Ricarda Lang und Michael Kruse, moderiert von Anna
Mayr, fand im Rahmen der achten Langen Nacht der ZEIT am Samstagabend,
2. Juli 2022, in Hamburg statt.