Sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, kann in Deutschland jeder frei für sich entscheiden. Es gibt gute Argumente dafür, aber genauso auch Gründe, die zumindest Anlass für Nachfragen geben. Einen Impfzwang gibt es nicht - aber aktuell eine Diskussion darüber, wie künftig mit nicht geimpften Personen umgegangen werden soll. Schließlich ist inzwischen der Zeitpunkt erreicht, zu dem jeder, der es will, ein Impfangebot bekommen kann.
Im CoronaCast, dem Podcast von Sächsische.de zur Pandemie, gibt Frank Ulrich Montgomery, Präsident des Weltärztebundes, Antworten und Lösungsvorschläge in der heiklen Debatte.
Eines stellt der Hamburger Medizinier gleich klar: "Ich halte eine generelle Impfpflicht für alle Menschen in Deutschland für nicht durchsetzbar." So etwas sei mit der Verfassung wohl kaum vereinbar und würde, statt bis zum Herbst das nötige Tempo ins Impfen zu bekommen, "nur über Jahre die Gerichte beschäftigen".
Anstatt eines vorgeschriebenen Piks' für alle Menschen schlägt Montgomery deshalb eine partielle Impfpflicht vor - und wird konkret. "In medizinischen Berufen oder in der Pflege sind dem Personal Menschen anvertraut. Und diese Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie nicht angesteckt werden." Eine Impfung, so Montgomery, sollte für alle, die direkten Kontakt zu Patienten haben, verpflichtend werden.
Und wie sieht es bei Lehrern und Erziehern aus? Schließlich arbeiten Angestellte dieser Berufsgruppen permanent mit Kindern, die sich gegenwärtig nicht oder ab dem 12 Lebensjahr nur mit Zustimmung der Eltern durch eine Impfungen selbst schützen können. Abgesehen davon, dass die Studienlage für die Impfung bei Kindern noch dünn sei, argumentiert Montgomery hier ähnlich. "Eine Impfpflicht zum Schutz von Kindern beträfe dann auch Lehrer."
Montgomerys Vorschlag einer berufsbezogenen Impfpflicht würde einem damit verbundenen politischen Entscheidungsprozess ein wenig die Schwere nehmen. Jedoch dürfte es auch für diese Idee noch an Zustimmung mangeln. Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) etwa hatte erst an diesem Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur dpa gesagt, dass er zwar wenig Verständnis für impfunwillige Lehrer und Erzieher habe, sich ihm bei einer Impfpflicht "aber einiges sträubt".
Bleibt noch die Frage offen, mit welchen Einschränkungen Ungeimpfte künftig zurecht kommen müssten. Montgomery sieht in der Debatte eine Schieflage. "Es geht nicht um Privilegien für Geimpfte, sondern um das Rückerlangen der Grundrechte." Warum also sollten die, die dazu beitragen, dass sich Menschen nicht mehr gegenseitig gefährden, für diejenigen, die das nicht tun wollen, auf Freiheiten verzichten, argumentiert Montgomery.
Welche konkreten Einschränkungen er für Ungeimpfte als realistisch einschätzt, erklärt er in dem Podcast-Gespräch. Außerdem analysiert Montgomery die globale Corona-Lage, richtet den Blick in andere Länder und pflichtet RKI-Chef Lothar Wieler in einer gerade erst wieder neu los gegangenen Debatte um die Inzidenz als Richtwert für Corona-Maßnahmen bei.
Das Podcast-Gespräch wurde über einen Videoanruf aufgezeichnet. Alle am Gespräch beteiligten Personen saßen ausreichend weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.