"Things fall apart; the centre cannot hold", so klagte der irische
Dichter William Butler Yeats vor 100 Jahren. Heute hingegen warten viele
gebannt darauf, dass das Zentrum endlich fällt – denn möglichst
dezentral soll die Welt in Zukunft aufgebaut sein, so viel scheint klar.
Vor allem natürlich dort, wo es um technischen Fortschritt geht: Da
hofft man auf ein neues, dezentrales Internet, das Web3, das auf der
Blockchain-Technologie aufbauen soll. Aber auch in der Natur sehnen wir
uns heute nach dezentralen Vorbildern, wenn uns Fischschwärme und
Oktopusse faszinieren, weil sie ohne Mittelpunkt und zentrale Steuerung
auskommen – genauso wie die Pilze, von denen man sich inzwischen nichts
weniger erwartet als gleich die Rettung der ganzen Welt. Ihr
unterirdisches Mycelnetz gilt als Wunderwerk der dezentralen
Architektur; sogar in der Neuauflage der Science-Fiction-Serie Star Trek
fliegt man jetzt nicht mehr mit Antimaterie-Reaktor durchs All, sondern
mit Mycel-Antrieb durchs Pilznetzwerk.
Alle wollen "dezentrale Systeme", alle wollen "dezentrale Lösungen".
Aber warum ist Dezentralität zu einem Leitbegriff der Gegenwart
geworden? Welche gesellschaftlichen Utopien verbinden die Menschen mit
dieser Idee? Geht es in Wirklichkeit um ein Bekenntnis zur dezentralen
Marktwirtschaft, die der zentralen Planwirtschaft überlegen ist? Um die
Überwindung nicht nur des Euro-, sondern auch gleich des ganzen
Anthropozentrismus, der die Rolle des Menschen übertreibt? Und was war
an der alten Zentralität eigentlich so verkehrt? Über diese Fragen
diskutieren Ijoma Mangold und Lars Weisbrod in der neuen Folge des
Feuilletonpodcasts Die sogenannte Gegenwart.
In dieser Folge sprechen Lars und Ijoma über folgende Artikel:
Shroom Boom: Wie Pilze die Welt retten sollen
Evgeny Morozov: Digital Socialism?
Biennale in Venedig: Im Zauberwald der Kunst
William Butler Yeats: The second coming
Außerdem geht es auch um die Serien Star Trek: Discovery und Star Trek:
Picard.
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